Das ist aber igitt

Posted by jonas on Thursday, November 13, 2014

Gestern wurden wir erst per Mail von einem User und schließlich über einen (inzwischen gelöschten und daher nicht mehr verlinkbaren) Tweet eines anderen Users darauf hingewiesen, bei Uberspace.de würde “Pädocontent” gehostet, garniert mit dem Hashtag #würg - ein Vorwurf, den wir so keinesfalls stehenlassen wollen.

Um das direkt klarzustellen: Gäbe es irgendwo bei uns Content, der Kindesmissbrauch dokumentiert oder gar bebildert, wäre der Account kurz nach der Abuse-Meldung dicht. Solche Dinge sind illegal, und wir sind mit Sicherheit kein Offshore-Hoster, dem vollkommen scheißegal ist, was seine User so publizieren.

In diesem Fall geht es aber nicht um strafbaren Content, sondern (um es mit den Worten der Person, die uns gemailt hat, zu beschreiben) um

eine Vereinigung, die Pädophilie straffrei machen wollen, die sich aktiv für die Legalisierung von Sex zwischen Kindern und Erwachsenen einsetzen

Natürlich ist Pädophilie straffrei, denn solange wir nicht in einem Land mit Gedankenpolizei leben, darf natürlich jeder alle möglichen Neigungen und Vorlieben empfinden, ohne schon allein für jene Empfindungen in den Knast zu wandern. Pädophilie gilt zwar nach ICD 10 als Störung der Sexualpräferenz, aber für eine strafrechtliche Beurteilung ist das irrelevant. Pädosexuelle Handlungen hingegen unterliegen - meines persönlichen Erachtens selbstverständlich und aus guten Gründen - dem Strafrecht, da die sie sexuelle Selbstbestimmung einer anderen Person verletzen.

Wir haben nun in Bezug auf veröffentlichte Inhalte eine sehr klare Policy:

Wir erlauben grundsätzlich alles, was nach deutschem Recht sowie den rechtlichen Bestimmungen der Länder, an die sich deine Website richtet, zulässig ist. Darüberhinaus halten wir uns raus. Wir haben keine politische Ausrichtung; wir erheben keine moralischen Zeigefinger; uns ist gleich, ob du deinen Uberspace privat, für einen Verein oder für eine geschäftliche Unternehmung nutzt. Wir sind der Ansicht, dass es nicht die Aufgabe von Internetprovidern ist, über die Zulässigkeit von Inhalten zu urteilen.

Eine Initiative, die Sex zwischen Kindern und Erwachsenen legalisieren möchte, ist nun mal nicht illegal. Das heißt nicht, dass wir das gut finden müssten. Wir müssen überhaupt nichts von dem gut finden, was User bei uns publizieren; wir können es ganz im Gegenteil auch krank, eklig, falsch, schlecht, abstoßend oder auch einfach nur dumm finden. Wir müssen ohnehin als Team keine einheitliche Meinung zu einem Thema haben.

Wir sind aber eben nun auch kein publizistisches Organ, das sich jegliche bei uns gehostete Inhalte zu eigen macht wie der Redakteur eines Magazins. Wir sind Betreiber von Infrastruktur, und nur weil wir technisch gesehen die Macht hätten, eine Website abzuklemmen, heißt das noch lange nicht, dass wir das auch tun sollten, nur weil uns Inhalte persönlich vielleicht nicht passen. Das wird besonders heftig eben auf die Probe gestellt, wenn man sich persönlich in seinen moralischen Maßstäben getroffen fühlt, und ich kann insbesondere niemandem, der selbst Kinder hat, verwehren, bei diesem Thema auf die Barrikaden zu gehen. Aber bitte: Wir als Gesellschaft sind gefragt, einen Konsens darüber zu finden, was akzeptiert und was strafrechtlich verfolgt wird. Und gesellschaftlicher Konsens kann sich auch verändern: Man muss sich nur mal in anderen Kulturen und anderen Zeitaltern umschauen, um festzustellen, dass Andere da durchaus auch schon andere Positionen hatten und haben. Dafür muss man nebenbei weder weit weg schauen noch weit in der Zeit zurück gehen.

Besteht speziell beim beanstandeten Thema denn nun irgendeine Art von Änderungsbedarf in der Jurisdiktion? Ich persönlich finde das nicht, und ich glaube kaum, dass meine Kollegen das im Kern anders sehen. Meine persönliche Meinung spielt da aber eben auch keine Rolle. Nur weil ich selbst den bestehenden gesellschaftlichen Konsens zum Schutz von Kindern gegenüber sexueller Handlungen durch Erwachsene weitgehend teile, kann und will ich nicht damit anfangen, die Ansichten von Leuten, die das anders sehen, mit technischen Mitteln zu unterdrücken, nur weil ich es kann - nicht zuletzt, da auch nur die Sichtbarkeit einer Meinung dem Rest der Gesellschaft ermöglicht, sich davon abzugrenzen. Eine Unsichtbarmachung sorgt auch nicht dafür, dass Pädophilie dann einfach aufhören würde zu existieren - “aus den Augen, aus dem Sinn” ist nun mal kein konstruktiver Umgang mit einer Störung, deren Existenz die meisten vermutlich schlicht nicht wahrhaben wollen. Uns hier dann aber zur Meinungspolizei machen zu wollen: Das ist nicht drin. Die damit geöffnete Büchse der Pandora wäre nie wieder zu schließen. Meinungsfreiheit zeigt ihr Gesicht halt nun mal leider ganz besonders dann, wenn’s wehtut. Und wenn sich unter Tausenden von bei uns gehosteten Sites auch eine befindet, auf der sich Menschen mit der Legalisierung von pädosexuellen Handlungen beschäftigen: Willkommen in der Realität. Die kann manchmal eben auch #würg sein.