Sechs, Neun, Zwölf – mindestens Zwei
Heute möchten wir eine für uns sehr wichtige Kennzahl veröffentlichen. Sie lautet:
4,70 Euro
Dass unser Modell der freien Preiswahl ja gar nicht funktionieren könne, hören wir seit dem ersten Tag - aber nach fast 15 Jahren Betrieb sind diese Stimmen weitestgehend verstummt.
4,70: Das ist der Preis, der derzeit durchschnittlich im Monat pro Asteroid bezahlt wird. Er schwankt immer um ein paar Cent nach oben oder unten, bleibt aber im Wesentlichen schon seit drei Jahren stabil. In früheren Jahren bewegte er sich eher um 3 Euro herum, nicht zuletzt, weil wir anfangs ein paar strategische Fehler gemacht haben, die wir inzwischen ausgeräumt haben; dazu kommen wir gleich.
In jenen früheren Jahren war Uberspace ein kleines Nebenprodukt eines 4-Leute-Betriebs, mit wenig Aufwand und einfachen Mitteln auf bereits vorhandener Hardware realisiert, mit sehr überschaubaren Ansprüchen an Professionalität und Stabilität, mit einer Gewinnerwartung von “ach, ist eigentlich egal, läuft ja nur nebenher” - inzwischen ist es unser Kerngeschäft, in das wir im Lauf der Jahre Hunderttausende von Euro investiert haben, um die Plattform auszubauen, auf der ihr heute hostet, und wir sind nicht mehr 4, sondern 11 Leute.
Aber zurück zu den 4,70 Euro.
Die Sonnenseiten
Das ist eine Zahl, die uns stolz macht, denn sie zeigt, dass es funktionieren kann, den Preis frei wählen zu lassen. Die große Mehrheit - rund 70% - unserer User zahlt mindestens den Budgetpreis. Die Zahl der Asteroids, die zum symbolischen Mindest-Euro betrieben werden, konnten wir im Vergleich zu vor drei Jahren von einem Drittel auf ein Fünftel reduzieren. Etwa 17% aller Asteroids werden sogar zu einem höheren Preis betrieben. Das macht uns dankbar und bestätigt, was wir von Anfang an geglaubt haben: Dass Menschen im Allgemeinen bereit sind, einen fairen Preis zu bezahlen, wenn man sie mündige Entscheidungen treffen lässt – und nicht automatisch den billigstmöglichen wählen.
In der folgenden Grafik wird die aktuelle Preisverteilung visualisiert. Wir haben die Skala der Übersicht halber bei 15+ Euro gekappt – darin enthalten sind tatsächlich einige Menschen, die sogar mehr als 15 Euro im Monat bezahlen. Es ist nur eine einstellige Zahl, aber wir möchten sie ausdrücklich erwähnen und uns bedanken: Ihr seid nicht „abgeschnitten“, sondern tragt dazu bei, dass dieses Modell funktioniert.

Trotzdem erkennt man an der Grafik auch: Links vom 5-Euro-Balken steckt etwas mehr Gewicht als rechts davon. Die Beiträge unterhalb des Budgetpreises überwiegen also gegenüber den höheren Zahlungen, die sie ausgleichen.
In den vergangenen Jahren haben wir daran gearbeitet, dieses Ungleichgewicht zu verringern, ohne das Prinzip der freien Preiswahl aufzugeben. Seit 2022 räumen wir niedrige Wunschpreise nur noch befristet ein, bevor sie auf den Budgetpreis zurückgesetzt werden. Das war ein wichtiger Schritt, um die Querfinanzierung fairer zu gestalten und einen früheren Fehler auszubügeln: Dass wir in unseren Anfangstagen Nutzer*innen, die gar keinen Preis ausgewählt hatten, nur 1 Euro berechnet hatten. Heute tun wir das nicht mehr – und genau diese Korrektur hat uns, das muss man ehrlich sagen, 2022 den sprichwörtlichen Hintern gerettet. Sie hat uns ermöglicht, den Budgetpreis von 5 Euro noch drei weitere Jahre zu halten.
All das sind gute Nachrichten. Sie zeigen, dass die freie Preiswahl nicht naiv ist, sondern funktioniert – wenn sie von gegenseitigem Vertrauen getragen wird. Gleichzeitig zeigen sie aber auch: Damit dieses Modell langfristig stabil bleibt, müssen wir hin und wieder an den Stellschrauben drehen – so wie jetzt, in dem wir unsere Preisempfehlungen und den Mindestpreis an die aktuelle Lage anpassen.
Die Schattenseiten
Die erste weniger gute Nachricht ist: Auch wenn uns nur 30 Cent pro Asteroid fehlen, so beläuft sich das bei gut 18.000 Asteroids auf den stolzen Betrag von 5.400 Euro monatlich, den unsere Einnahmen hinter den Erwartungen zurückbleiben. Zur Einordnung: Der monatliche Gesamtumsatz von Uberspace liegt derzeit bei ca. 84.000 Euro - der Fehlbetrag ist insofern zwar von der Größenordnung her (7%) weit davon entfernt, dass sich sagen ließe, dass unser Preismodell grundsätzlich nicht funktioniere. Er ist aber dennoch auf Dauer schmerzlich.
Die zweite weniger gute Nachricht ist: Nur wenig ist seit 2010 signifikant günstiger geworden. Der Traffic in den Rechenzentren beispielsweise, oder auch unsere Mobilfunkverträge. Die großen Posten hingegen haben sich stark verteuert: Strompreise haben sich seit 2010 annähernd verdoppelt (und wir zahlen jeden Monat einen vierstelligen Betrag dafür), und nicht zuletzt inflationsbedingt haben wir auch unsere Gehälter der wirtschaftlichen Gesamtlage immer wieder angepasst und liegen heute ziemlich genau im bundesweiten Median. Wir können also auch aufrichtig sagen, dass wir uns zwar nicht selbst ausbeuten, aber eben auch nicht reich werden - auch nicht ich als Inhaber. Und schließlich sind auch immer wieder laufende Kosten dazugekommen, die wir anfangs nicht hatten: DDoS-Protection an allen Standorten beispielsweise, oder auch Kosten für einen externen Datenschutzbeauftragten.
Lange Rede, kurzer Sinn: Wir verfehlen die angepeilten durchschnittlich 5 Euro pro Asteroid knapp - und dieser Betrag reicht heute auch nicht mehr aus, um unsere Kosten zu decken.
Aus diesem Grund zielen wir nun offensiv auf einen durchschnittlichen Preis von 6 Euro.
Ein Euro mehr, damit es uns weiterhin gibt
Nun kann man natürlich eine Augenbraue heben, wieso der angepeilte Durchschnittspreis und damit die Budgetpreisempfehlung gleich um 20 Prozent angehoben wird, wenn wir doch eigentlich nur 7 Prozent mehr “brauchen”. Nicht zuletzt sensibilisiert durch die hohen Inflationsraten der letzten Jahre, die einige Unternehmen dafür genutzt haben, ihre Preise weit mehr als nötig anzuheben, möchten wir euch gerne an unseren Gedanken dazu teilhaben lassen.
Zum einen möchten wir daran erinnern, dass es sich um die erste Anpassung der Preisempfehlung seit 15 Jahren handelt, in der alle wesentlichen unseren Betrieb bestimmenden Kosten um weit mehr als nur 20 Prozent gestiegen sind - oder wie es einer meiner Kollegen ausdrückte: Wir bleiben mit unserer Erhöhung immer noch weit hinter dem zurück, was wir eigentlich nehmen müssten. Wir haben bereits viele Schritte unternommen, um auf der Kostenseite Dinge einzusparen, effizienter zu machen oder zu konsolidieren. Aber wir geraten hier an Grenzen, an denen wir inzwischen einfach Vieles ausgereizt haben.
Zum anderen lässt sich an den 4,70 Euro ablesen, dass der realistisch erzielte Preis sehr wohl unter dem angepeilten Preis liegt - wenngleich nicht viel, so doch spürbar. Wir müssen sicherheitshalber etwas höher zielen als das, was wir unbedingt brauchen - wir wollen auch weiterhin allen Menschen ermöglichen, einen niedrigeren Preis zu wählen. Damit sind wir weiterhin darauf angewiesen, dass andere Menschen etwas mehr zahlen.
Um dies noch weiter zu begünstigen, senken wir die Preisempfehlung für unseren Standardpreis von 10 auf 9 Euro sowie jene für den Solidarischen Preis von 15 auf 12 Euro. Wir erhoffen uns davon, dass künftig ein paar mehr Leute auf dem beim Neuanlegen automatisch vorausgewählten Standardpreis bleiben, weil 9 Euro ein bisschen weniger “bedrohlich” klingt als ein zweistelliger Betrag. Der solidarische Preis von 15 Euro wurde lediglich von einer niedrigen dreistelligen Zahl von Menschen gewählt. Wir vermuten, dass dies auch damit zu tun hat, dass er von der Höhe vielleicht als “sooo solidarisch muss es nun auch nicht sein” empfunden wurde, betrug er ja immerhin das Dreifache des Budgetpreises, künftig dann nur noch das Doppelte, was sich psychologisch mehr nach “damit finanziere ich einen weiteren Asteroid mit” anfühlt.
Ein Preis mit Symbolkraft
Und damit kommen wir zum symbolischen Mindestpreis, mit dem ich (Jonas) persönlich am meisten gerungen habe. Diesen heben wir von 1 Euro auf 2 Euro an.
Damit bleiben wir weiterhin so ziemlich der günstigste Anbieter am Markt, bei dem man vergleichbares Webhosting bekommen kann - wenn überhaupt, in Betracht ziehend, dass wir unverändert schon zu diesem Preis SSH-Zugang, Cronjobs, Node.js, 1.5 GB RAM sowie den persistenten Betrieb komplett eigener Serverdienste wie Redis oder PostgreSQL ermöglichen. All das bieten wir auch weiterhin ohne windige Risikokapitalgeber im Rücken, sondern als kleines und solides inhabergeführtes europäisches Unternehmen, das:
- all seine Serverhardware selbst besitzt, einrichtet und wartet
- mit dem Personal im Rechenzentrum per Du ist
- euch nicht mit Vertragslaufzeiten und Kündigungsfristen knebelt
- trotz seiner geringen Größe eine Rund-um-die-Uhr-Bereitschaft für euch betreibt
- eure Daten so wichtig nimmt, dass es mehrfach redundante Storage-Systeme für euch betreibt
- immer schön Backups für euch vorhält, wenn euch erst zu spät einfällt, dass es gut wäre, welche zu haben
- sich auch vor Gericht für eure Rechte einsetzt
- wenn es möglich ist eine Extrameile für euch geht
- Sicherheitsvorfälle ernst nimmt und öffentlich aufarbeitet, damit alle was lernen
- eure Daten nicht verkauft
- eure Daten nicht im Backend in einer der großen Clouds der Tech Bros speichert
- eure Daten nicht zum Training von KI-Modellen verwertet (dass man das überhaupt erwähnen muss … aber so selbstverständlich, wie große Social-Media-Plattformen sich das heute herausnehmen, erscheint es langsam erwähnenswert)
Trotzdem kann ich nicht verhehlen, dass es mich schmerzt, diesen Schritt zu gehen. Der symbolische Mindestpreis von 1 Euro gehörte für mich seit dem ersten Tag gewissermaßen zur DNA von Uberspace. Wir haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass dieser Preis noch nie auch nur annähernd “kostendeckend” für irgendwas gewesen war - ganz im Gegenteil kommunizieren wir seit Jahren offen, dass wir im Durchschnitt signifikant mehr brauchen und der Mindest-Euro querfinanziert werden muss. Er ist damit wirklich rein symbolisch, also willkürlich ausgedacht - 1 Euro, das klingt eben gut. Es hätten genauso immer schon 2 Euro sein können, oder 42 Cent. Mir war vor allem wichtig, dass jede und jeder “etwas” zahlen muss, schon aus Respekt davor, dass hier echte Menschen echte Arbeit leisten. Der symbolische Mindestpreis hat also nichts mit betriebswirtschaftlicher Kalkulation zu tun, und wir haben uns auch stets darum bemüht, ihn nicht als einen wenig nachhaltigen Marketing-Gag darzustellen, sondern als unsere Reaktion darauf, dass Menschen - egal ob privat oder beruflich - sich in Situationen befinden oder in solche geraten können, in denen es erforderlich ist, nicht zuerst auf den finanziellen Gewinn zu schauen, sondern ihnen “mach auf jeden Fall erstmal dein Ding” sagen zu können.
Wie das mit Symbolik so ist, so ist sie aufgeladen mit Idealismus und in unserem Fall auch Ideologie. Deshalb fiel es mir persönlich so schwer, diesen Mindestpreis anzutasten: Als würde ich damit meinen Idealismus verraten. Im restlichen Team ist schon seit Jahren die Ansicht verbreitet, dass es nicht nur unproblematisch, sondern auch völlig angemessen sei, den symbolischen Mindestpreis nicht dauerhaft einen Mindest-Euro sein zu lassen - auch mit der Bemerkung: Wenn wir an einer nicht dauerhaft tragbaren Anzahl an 1-Euro-Accounts am Ende pleite gehen, ist damit niemandem geholfen; vor allem nicht denen, für die der querfinanzierte Preis da ist.
Ich fasse mir nun ein Herz und fokussiere mich darauf, dass es auf der anderen Seite eben auch nur 1 Euro mehr im Monat ist als bisher und wir darauf zählen, dass das auch für Menschen mit wenig Geld immer noch tragbar ist. Am Ende ist es nicht an uns alleine, gestiegene Kosten irgendwie mit Eigenmitteln zu kompensieren - denn reich geworden sind wir mit Uberspace nicht und haben das auch in Zukunft nicht vor. Aber davon leben können: Das möchten wir gerne auch weiterhin.
Die schlechte Skalierbarkeit von Querfinanzierung
Es gibt noch einen Fall, den wir etwas gesondert betrachten wollen:
Wir haben immer schon offensiv empfohlen, im Fall des Betriebs mehrerer Domains/Websites/Applikationen zur besseren Abschottung voreinander besser separate Asteroids anzulegen und offen dazu angeregt, den monatlichen Beitrag aufzuteilen. Dazu stehen wir und empfehlen das auch weiterhin.
Dem Umstand, dass wir uns an diese Empfehlung sehr wohl weiterhin erinnern, ist es zu verdanken, dass wir mit Einführung der automatischen Preisrücksetzung auch eine Ausnahmeregel eingeführt haben: Dass Asteroids von der Preisrücksetzung ausgenommen sind, wenn sie jemandem gehören, der noch weitere hat und insgesamt mindestens den Budgetpreis zahlt. Wer also 5 Asteroids zu je 1 Euro hat, konnte dafür bisher 5 Euro zahlen und war dann von der Preisrücksetzung ausgenommen - mit dem neuen Mindestpreis von 2 Euro wird das konsequenterweise 10 Euro kosten. Wir verstehen, dass das hart ist. Aber es ist eben ein Problem für unsere Einnahmesituation, wenn die Nutzung eines stark querfinanzierten Preises dazu auch noch auf eine größere Anzahl skaliert wird.
Bereits in unserem Wiki für Uberspace 6 hatten wir geschrieben: “uns ist schließlich egal, ob du z.B. monatlich 10 Euro für einen Uberspace bezahlst, oder ob du monatlich je 2 Euro für 5 Uberspaces bezahlst” - schon damals hatten wir insofern wohlweislich einen etwas weniger querfinanzierten Preis für unser Beispiel verwendet. Insofern lässt es sich vielleicht auch so sehen: Schon damals konntest du ganze 5 eigenständige Hosting-Accounts mit eigenständigen Zugängen und eigenständigen Ressourcen wie Plattenplatz und Arbeitsspeicher (also fünfmal so viel, als wenn du dir nur einen einzigen Account geklickt hättest!) für gerade mal 10 Euro im Monat bekommen - und heute kannst du das immer noch.
Auf viele weitere Jahre!
Allen Unkenrufen speziell zu unserem Preismodell zum Trotz gibt es Uberspace nun seit 15 Jahren. 15 Jahre, in denen wir euch eine freie Preiswahl ermöglicht und dabei einen Preis von 5-10 Euro empfohlen haben. Der Verbraucherpreisindex ist in dieser Zeit um rund 35% gestiegen (und Netflix hat fünfmal seine Preise erhöht!), während wir bei unserem 5-Euro-Budgetpreis geblieben sind. Wenn jener nun um 20% auf 6 Euro steigt, dann damit wir auch in den nächsten Jahren weiterhin der Hoster eures Vertrauens bleiben.
Übrigens, zum Thema gibt’s noch eine vertiefende Podcast-Folge mit Leah und Jonas. Hört gerne rein!
Foto von Eran Menashri auf Unsplash
